Wir begegnen der Größe des göttlichen Rufes, der an das Herz des Menschen ergeht, sei es im alten Testament an den Propheten Jesaja, sei es im neuen Testament an Petrus und an Paulus. Und da, wo der Mensch den Ruf Gottes als Gnade erfährt, da erfährt er zugleich auch seine eigene Unwürdigkeit. „Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch!“, so ruft Petrus aus, als er die überreiche Gabe des Fischfangs empfängt und Jesaja sagt: „Weh mir, ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen!“ Gott beruft und begnadet trotz unserer Schwächen und trotz unserer Unvollkommenheit.
Jesus hat standgehalten. Nicht nur in der Wüste, als er, vom Geist geführt, durch die Feuerprobe der Versuchung ging, konfrontiert mit den eigenen Bedürfnissen und der Frage, welchen Stellenwert sie einnehmen, wenn es um‘s Ganze geht, Jesus hat auch standgehalten in Nazareth, als man Wunder erwartet hat, die er dort nicht wirken konnte. Als die Menge ihn daraufhin den Abhang hinunterstürzen will, geht er mitten hindurch und geht weg. Hier suchen die Menschen nicht die Begegnung mit ihm, sondern die Sensation, das große Ereignis. So wird uns, wie so oft, durch das Evangelium ein Spiegel vorgehalten und wir werden gefragt, was wir wohl bei Jesus suchen?
Das Auftreten in der Synagoge in Nazareth ist wie ein gewaltiger Fanfarenstoß der anbrechenden messianischen Zeit: „Der Herr hat mich gesalbt, den Armen das Evangelium zu verkünden.“ Und die darauf folgende Auffächerung in die Befreiung der Gefangenen, in die Heilung der Blinden und in das Aufrichten der Gebeugten wird Wirklichkeit in allem, was Jesus tut. Wenn er von Bindungen befreit und aus Sünde losspricht, Gelähmte in die Freiheit entlässt und damit in die Erlösung hineinführt, so wird hier Wirklichkeit, wozu auch jeder einzelne Getaufte kraft seiner Salbung berufen ist: Hoffnung zuzusprechen, aufzurichten und befreiend und erlösend zu wirken.
Wo es der Kirche nicht mehr um dieses innerste Heilsein geht, darum, den Menschen mit Gott in Berührung zu bringen, da wird sie langweilig und da hat sie keine Bedeutung mehr.
Johannes nennt es das „Ursprungszeichen“, was bei der Hochzeit in Kana geschieht. Vor diesem Hintergrund sollen folglich alle anderen Zeichen gelesen werden.
Jesus sieht hier bei der Hochzeit nicht nur die Not der Gastgeber, die in eine überaus peinliche Lage geraten sind, denn er gibt mehr als sie brauchen. Und die Jünger ahnen nun, am Beginn des öffentlichen Wirkens, dass das nur der Anfang ist. Jetzt gibt er den Wein, später, wenn seine Stunde wirklich gekommen ist, wird er mehr, ja, alles geben:
Wasser wird in Wein verwandelt, später der Wein in Blut – Jesus gibt mehr als das nur Notwendige!
Es ist wie ein neuer Schöpfungsmorgen! Der geöffnete Himmel ist ein Bild dafür, dass die Sonne Gottes neu über den Menschen aufgeht und dass in dem Moment, als Christus aus dem Wasser des Jordan emporsteigt, die geheimnisvolle und unendlich fruchtbare Zusammenarbeit des göttlichen Geistes mit dem menschlichen Fleisch beginnt. Christus ist das Urbild und wir sind das Abbild.