Das Fasten hat eine ganz eigene Kraft, die es neu zu entdecken gilt. Es ist nicht nur Verzicht, es ist vielmehr eine geistliche Kraft, wo Gottes Gnade in mir Raum bekommt, so dass ich mich auch dem anderen zuwenden und ihm Gutes tun kann. Es dient der Zurücknahme des eigenen Ich, so dass das Du des Nächsten im Almosen geben und das Du Gottes im Beten in den Vordergrund tritt. Fasten, Beten und Almosengeben stehen in der Mitte der Bergpredigt und genaugenommen ist das Gebet das Herz zwischen beiden, die innere Mitte, von der aus sich das ganze Leben des Christen entfaltet.
Es ist eine herausfordernde Rede, die Jesus seinen Jüngern hält. Er traut ihnen und uns einiges zu. Die „Wange hinzuhalten“ und den „Mantel dazuzugeben“, heißt nicht, sich blind dem Bösen zu ergeben. Man könnte zunächst meinen, dass das Wange-Hinhalten ein Stillhalten ist und sich dem Bösen auszuliefern. Aber es bedeutet viel mehr als passiv zu sein, als sich zu ergeben, weil man zu feige ist, weil man . Es meint vielmehr, das Böse durch das Gute zu besiegen und nicht der Gefahr zu erliegen, dass das Böse und das Unrecht, das ich erfahren habe, in mein Herz eindringt. Die Feldrede spricht als „Magna Charta“ christlichen Lebens von einer Liebe, die „trotz allem“ liebt, trotz des Unrechts und trotz der Verletzung, die ich erfahren habe. Was Jesus uns hier vor Augen stellt, in diesem Dennoch-Lieben und der Gewaltlosigkeit der Liebe, ist sein eigener Lebensentwurf, wenn er betet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Nicht in der Verbitterung erfährt der Mensch Heilung.
Es ist eine faszinierende Aufgabe, die Maria hier hat. Johannes bringt es zum Ausdruck, wenn er zwar sagt: „Die Mutter Jesu war dabei!“, aber betont, dass Jesus zu ihr sagt: „Frau, meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Sie steht ihm gegenüber und fordert ihn in seinen messianischen Auftrag hinein: zu handeln und zu wirken!
Es zeigt sich eine Art Kettenraktion, wie hier, in der Begegnung von Maria und Elisabeth, einer den andern berührt und die Gande des Einen zur Gnade und Erkenntnis des andern wird. Weil Maria ihr Ja gesprochen hat, kann sie Elisabeth so grüßen, dass selbst Johannes im Schoß der Mutter von der Freude ergriffen wird. Und diese spürbare Freude des Johannes wird zur Freude Elisabeths, die wiederum den Glauben Marias preist, so dass Maria den überwältignden Lobpreis über die Taten des Herrn an ihr und an allen Geschlechtern, die ihr vorausgegangen sind, singen kann. Es ist ein Ineinaderwirken des Einen mit dem andern, so dass in dieser Begegnung etwas vom innersten Wesen der Glaubensgemeinschaft sichtbar wird.
Wir können uns nicht selber, am eigenen Schopf, aus dem herausziehen, was uns fesselt und bindet. Es braucht einen, der uns an der Hand nimmt und herausführt! Die Kirchenväter deuten den Moment, wo Johannes der Täufer im Bauch seiner Mutter aufhüpft vor Freude als den Moment, wo er von der Last der ererbten Menschheitsschuld befreit wird, von der Knechtschaft der Sünde, vom drückenden Joch, das auf jeder Schulter ruht, weil Christus nahe ist. Erlöst sein heißt, zutiefst befreit sein und aufatmen können, weil Gott in die Nähe kommt und er Mensch aus seiner Isolation herausgeführt wird. Da, wo der Herr nahe ist, kann das Herz des Menschen froh und frei werden.