Aus der Studie zweier Soziologen im Jahr 2005 unter amerikanischen Jugendlichen konnte man deren Religiosität und deren Glaubensbekenntnis ablesen. Sie glauben an einen Gott, der Schöpfer der Welt ist und sie glauben, dass gute Menschen in den Himmel kommen, dass es wichtig ist, gut miteinander umzugehen und dass das wichtigste Ziel im Leben ist, glücklich zu sein! Zunächst sind das Aussagen, die durchaus in der Nähe des christlichen Glauben zu liegen scheinen. Aber ist das schon alles? Laut der Soziologen könnte man in der Spiritualität dieser Glaubensbekenntnisse eine zeittypische Prägung der Ich-Orientierung und des Wohlergehens sehen, die sogar still und unbemerkt in der Verkündigung der Kirchen übernommen wird. Wenn es aber nur um mich und mein Wohlergehen geht, wo bleibt da das spezifisch Christliche, das Kreuz – eine Liebe, die bis zum Äußersten geht, auch wenn es das Leben kostet?
Es ist eine herausfordende und Aussage, wenn Jesus klarstellt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen!“, sondern im Gegenteil, mit ihm wird Unfrieden und Spaltung in die Welt und sogar mitten in die Familie kommen. Drastische Beispiele fügt Jesus an: wo fünf zusammenleben, wird der Riss mitten hindurch gehen und der eine wird sich gegen den anderen wenden, es werden Gruppierungen entstehen und der Zwist hält Einzug. Wie geht das zusammen mit dem, was wir von Jesus immer wieder hören? Dass er als der Friedefürst bezeichnet wird, dass er seinen Jüngern „seinen Frieden hinterlassen“ hat und dass der Gruß nach der Auferstehung immer lautet: „Friede – Friede – Friede sei mit euch!“?
Wo Jesus eintritt scheiden sich einerseits die Geister, wird aber auch andererseits in uns geschieden, was für und was noch gegen ihn ist. Und so wie es am Anfang der Schöpfung war, wird durch die Scheidung und durch die Spaltung aus dem Chaos Kosmos und es tritt durch die Spaltung in uns und unter uns klarer hervor, was noch nicht göttlicher Kosmos, was noch nicht Wahrheit und Heiligkeit ist.
(20. Sonntag, Lesejahr C)
Es ist eine doppelte Wachsamkeit, die heute in den beiden Gleichnissen des 19. Sonntags im Jahreskreis im Mittelpunkt steht: die Wachsamkeit, sich bereit zu halten, Gott die Tür zu öffnen und genauso wachsam zu sein, um dem Dieb den Zutritt zum eigenen Haus zu verschließen, um sich nicht das nehmen zu lassen, was das Leben im Gleichgewicht hält. Wo Gott im Leben die Stelle einnimmt, woraufhin sich mein Leben hinordnet, da kommen auch alle anderen Dinge ins Gleichgewicht, da wird mein Leben ein kleiner Kosmos, ein geordnetes Ganzes, das nicht durch jede kleine Störung aus der Balance gerät, wo aber diese Ausrichtung fehlt, beginnt der Mensch in Konkurrenz zu treten; er macht sich selbst zum Herrn über Leben und Tod und zum Herrn über den Mitmenschen, den er beherrschen möchte, um selbst besser zu leben.
(19. Sonntag im Jahreskreis/ Lesejahr C)
„Gott ist keine Scheune“, sagt Adrienne von Speyr und spielt damit darauf an, dass Jesus ein Gleichnis entwirft, in dem ein Mann so viel Besitz anhäufen will, dass er dafür neue Scheunen bauen lässt, um es sich dann endlich gut gehen zu lassen. Das Gleichnis hebt letztlich hervor, dass es um die Frage geht, was aus dem wird, was man besitzt. Interessant ist hier, dass dieser Scheunenbesitzer unausgesprochen auch die Frage nach dem „Wozu“ stellt, dabei jedoch nur ins Selbstgespräch mit sich selbst eintritt und so nur seine eigene Zukunft und sein eigenes Wohlergehen in den Blick nimmt. Andere kommen hier gar nicht vor. Die entscheidende Frage, die Jesus mit diesem Gleichnis uns stellt, ist die, ob wir bereit sind, unsere Besitztümer zu öffnen und uns fragen zu lassen, für wen wir das, was wir haben, einsetzen und sogar verschwenden könnten. Denn auch Gott „ist keine Scheune“, sondern verschwendende Liebe.
Es ist kein Zufall, dass bei Lukas das Gleichnis von barmherzigen Samariter (s. letzten Sonntag) direkt und unmittelbar vor der Episoode um Marta und Maria steht. Im Gleichnis antwortet Jesus dem Gesetzeslehrer: „Geh und handle genauso!“ und hier entgegnet Jesus der Anfrage Martas: „Maria hat den guten Teil gewählt!“. Beide werden so zur Ikone erfüllten Menschseins, der gütige und barmherzige Mensch, der zum Helfen bereit ist, und derjenige, der lauscht und seine Zeit an den Meister, an Jesus, verschwendet, obwohl es soviel zu tun gäbe. Es ist eindeutig, dass man Marta, die Tätige und Sorgende, nicht gegen Maria ausspielen kann. Das machen die Kontexte deutlich, in denen nochmals von Marta die Rede ist. Auch die Begegnung mit Jesus in ihrem Haus steht unter dem positiven Vorzeichen, dass sie ihn „gastlich“ aufnimmt und dadurch die Bedingung schafft, die es Maria ermöglicht, sich überhaupt zu ihm zu setzen. Es kann auch heute nur darum gehen, der Berufung jedes einzelnen den Raum zuzuerkennen, den sie braucht, um sich zu entfalten.