Es ist eine doppelte Wachsamkeit, die heute in den beiden Gleichnissen des 19. Sonntags im Jahreskreis im Mittelpunkt steht: die Wachsamkeit, sich bereit zu halten, Gott die Tür zu öffnen und genauso wachsam zu sein, um dem Dieb den Zutritt zum eigenen Haus zu verschließen, um sich nicht das nehmen zu lassen, was das Leben im Gleichgewicht hält. Wo Gott im Leben die Stelle einnimmt, woraufhin sich mein Leben hinordnet, da kommen auch alle anderen Dinge ins Gleichgewicht, da wird mein Leben ein kleiner Kosmos, ein geordnetes Ganzes, das nicht durch jede kleine Störung aus der Balance gerät, wo aber diese Ausrichtung fehlt, beginnt der Mensch in Konkurrenz zu treten; er macht sich selbst zum Herrn über Leben und Tod und zum Herrn über den Mitmenschen, den er beherrschen möchte, um selbst besser zu leben.
Das Gleichnis von dem, der Scheunen baut
„Gott ist keine Scheune“, sagt Adrienne von Speyr und spielt damit darauf an, dass Jesus ein Gleichnis entwirft, in dem ein Mann so viel Besitz anhäufen will, dass er dafür neue Scheunen bauen lässt, um es sich dann endlich gut gehen zu lassen. Das Gleichnis hebt letztlich hervor, dass es um die Frage geht, was aus dem wird, was man besitzt. Interessant ist hier, dass dieser Scheunenbesitzer unausgesprochen auch die Frage nach dem „Wozu“ stellt, dabei jedoch nur ins Selbstgespräch mit sich selbst eintritt und so nur seine eigene Zukunft und sein eigenes Wohlergehen in den Blick nimmt. Andere kommen hier gar nicht vor. Die entscheidende Frage, die Jesus mit diesem Gleichnis uns stellt, ist die, ob wir bereit sind, unsere Besitztümer zu öffnen und uns fragen zu lassen, für wen wir das, was wir haben, einsetzen und sogar verschwenden könnten. Denn auch Gott „ist keine Scheune“, sondern verschwendende Liebe.
„…Und er lehrte sie beten!“
Obwohl Lukas derjenige ist, der uns Jesus immer als den Betenden vor Augen stellt, geht es an dieser Stelle, an der so deutlich vom Beten gesprochen wird, noch um viel mehr als nur um‘s Gebet. Es geht darum, wie wir gut leben können, denn nur, wo wir beten, kann auch der Heilige Geist wirken. Es gibt eine alte Überlieferung, wie Klaus Berger in seinem Kommentar schreibt, die im Vater-Unser der Bitte um das Reich anfügt: „Dein Heiliger Geist komme, der uns reinigt“, der uns also hilft zu vergeben und in Fülle zu leben.
Es ist kein Zufall, dass bei Lukas das Gleichnis von barmherzigen Samariter (s. letzten Sonntag) direkt und unmittelbar vor der Episoode um Marta und Maria steht. Im Gleichnis antwortet Jesus dem Gesetzeslehrer: „Geh und handle genauso!“ und hier entgegnet Jesus der Anfrage Martas: „Maria hat den guten Teil gewählt!“. Beide werden so zur Ikone erfüllten Menschseins, der gütige und barmherzige Mensch, der zum Helfen bereit ist, und derjenige, der lauscht und seine Zeit an den Meister, an Jesus, verschwendet, obwohl es soviel zu tun gäbe. Es ist eindeutig, dass man Marta, die Tätige und Sorgende, nicht gegen Maria ausspielen kann. Das machen die Kontexte deutlich, in denen nochmals von Marta die Rede ist. Auch die Begegnung mit Jesus in ihrem Haus steht unter dem positiven Vorzeichen, dass sie ihn „gastlich“ aufnimmt und dadurch die Bedingung schafft, die es Maria ermöglicht, sich überhaupt zu ihm zu setzen. Es kann auch heute nur darum gehen, der Berufung jedes einzelnen den Raum zuzuerkennen, den sie braucht, um sich zu entfalten.
Die schönsten Gleichnisse der Barmherzigkeit hat uns der Evangelist Lukas hinterlassen, nicht nur das Gleichnis vom barmherzigen Vater, sonder auch das heutige vom barmherzigen Samariter. Gottes barmherzige Liebe ist es, die uns in Jesus Christus besucht hat, um uns zu tragen und uns nach Hause zu führen